Wenn der Sushi-Laden besser digitalisiert ist als ein Versicherer


Eine empirische Studie hat sich intensiv mit der Customer Journey bei Versicherern beschäftigt. Das Ergebnis ist wenig schmeichelhaft und zeigt, dass Digitalisierung nicht automatisch mehr Kundenzentrierung bedeutet.

Mit ihren Webseiten wollen die Versicherungsgesellschaften die Kundinnen und Kunden umfassend informieren und am besten gleich zu einem Vertragsabschluss führen – zumindest im SUK-Segment. Entsprechend viel Arbeit und Geld ist in den Aufbau digitaler Angebote in den vergangenen Jahren geflossen. Wie bewähren sich diese Lösungen in der Praxis? Das wollte das Unternehmen EPAM wissen und hat einen Test aufgesetzt: 145 Menschen wurden bei ihrer digitalen Customer-Journey auf dem Weg zum Online-Versicherungsabschluss auf den Webseiten von 12 Versicherungsunternehmen beobachtet.

Der Sushi-Laden schneidet besser ab

Das Ergebnis dieses Tests dürfte die Versicherungsunternehmen denn doch überrascht haben. Denn im Kern lautet das Ergebnis, dass der Sushi-Laden mit seiner Essenbestellung einfacher zu durchschauen ist als die Seiten der Versicherer. Während der Lieferdienst im Durchschnitt im Test 90 von 100 möglichen Punkten erzielte, waren das bei den Versicherungen gerade einmal 43 Punkte. Nun läge das Argument auf der Hand, dass das Produkt „Sushi“ kaum so erklärungsbedürftig wie eine Versicherungspolice ist. Wäre da nicht das Ergebnis aus der Welt der Banken. Dort wurden im Durchschnitt immerhin 76 Punkte erreicht – also deutlich mehr, als die Assekuranz aufzubieten hat.

Gefährliche Selbstüberschätzung

Problematisch ist in diesem Zusammenhang eine andere Zahl aus dem Report mit dem Titel „Insurance: The Digital Paradox“ (Download PDF). Denn während die Nutzerinnen und Nutzer offenbar Probleme mit der dargebotenen Leistung haben, vergaben die parallel dazu befragten Versicherungsmanager:innen einen Wert von 78 Punkten, sehen sich also in einer Liga mit den Banken. Die Versicherer halten sich gemäß dem Report für stark kundenorientiert und geben sich selbst 5,8 von 6 möglichen Punkte im standardisierten „UX Maturity Level“. Tatsächlich liegen die untersuchten Angebote jedoch nur bei 3,8 Punkten.

Bei einer solchen Diskrepanz zwischen der Eigen- und Fremdwahrnehmung dürfte es schwer werden, die Potenziale für Verbesserungen zu erkennen und diese auch umzusetzen. Deshalb lautet eine Empfehlung des Reports, dass sich das Management in Versicherungen konkret in die Rolle der Kundinnen und Kunden versetzen sollte, um mit den eigenen Instrumenten unvoreingenommen einen Abschluss anzustreben.

Der Prozess ist da, wird aber nicht verstanden

Der Report kritisiert nicht die Bemühungen der Gesellschaften in Richtung der Digitalisierung. Die digitalen Prozesse zum Vertragsabschluss sind ja da und funktionieren, werden aber nicht von den Nutzerinnen und Nutzern verstanden. Dabei fällt auf, dass dabei auch die jüngeren Zielgruppen (Millennials, GenZ) auf Schwierigkeiten stoßen und sich mehr Unterstützung wünschen.

Dies ist sicherlich eine der wichtigsten Lehren aus der Studie, welche die Autorinnen und Autoren auch in die Vorschläge zur Verbesserung aufgenommen haben. Denn trotz der Digitalisierung wollen 67 Prozent aller befragten Nutzer:innen vor dem Abschluss gerne mit einem menschlichen Berater sprechen. Das boten aber nur 16 Prozent der untersuchten Websites durch die Integration eines Beraters im Kundenkanal an. Persönliche Beratung und digitale Kanäle sollten nicht isoliert aufgebaut und als Konkurrenz gesehen werden. Integration wäre zielführender.

Der Online-Abschluss einer Versicherung bleibt also kompliziert. Die Regulatorik erfordert zahlreiche Belehrungen und Informationen, die indes Nachfragen provozieren. Dennoch weist der Report auch darauf hin, dass der Abschluss einer Versicherung eben nicht ausschließlich eine rationale Angelegenheit ist, sondern auch die emotionale Seite ansprechen muss. Dabei sollte indes nicht überzogen werden. Permanent zu betonen, wie einfach das alles ist, umfasst auch die Gefahr, dass die Nutzerinnen und Nutzer an ihren eigenen Fähigkeiten zweifeln, wenn sie das Produkt nicht verstehen oder abschließen können. Es in Folge bei einem anderen Anbieter zu versuchen oder gar nichts abzuschließen, liegt dann nahe.

Es wartet also noch einige Arbeit auf die Versicherer. Denn Versicherungsprodukte sind eben kein Sushi.

Sie möchten über Digitalisierung bei Versicherungen sprechen? Dann freut sich unser Experte Karsten Schmitt, Head of Business Development bei adesso insurance solutions, auf Ihre Kontaktaufnahme.

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